Bestatter-Reportage: Abschiednehmen in Zeiten von Corona – wie Hinterbliebenen das Trauern um ihre Verstorbenen erschwert wird

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Foto: 7aktuell.de | Oskar Eyb

„Die neuen Vorschriften wegen Corona machen die Trauerbewältigung von Hinterbliebenen unmöglich“ beklagt Helmut Ramsaier, Senior Chef von Ramsaier Bestattungen in Stuttgart. Große Probleme sieht er bei seiner Hauptaufgabe als Bestatter: bei der Trauerbegleitung und Trauerberatung. 

Psychologie ist bei der Trauerarbeit sehr wichtig. „Es ist ein schwerer Schritt vom Angehörigen zum Hinterbliebenen.“ Die Hinterbliebenen benötigen Zeit und die Möglichkeit sich von ihren Verstorbenen verabschieden zu können. Je länger sie dabei mit den Toten zusammen sein können, desto besser können sie den Verlust akzeptieren und bewältigen. Dies geht am besten durch den persönlichen Abschied bei der offenen Aufbahrung. Die neuen Vorschriften verbieten dies momentan.

So können Schuldgefühle bei den Hinterbliebenen zurückbleiben. Oftmals will man dem Verstorbenen noch so viel sagen, sich bedanken oder sich entschuldigen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Trauerfeiern nur noch im Rahmen bis zu zehn Personen abgehalten werden dürfen. Zugelassen sind nur noch Verwandte ersten und zweiten Grades. Freunde, Bekannte, Geschäftskollegen können sich von den Verstorbenen nicht mehr verabschieden.

Das führt zu psychischen Problemen bei Trauernden. Man geht von insgesamt 5 Millionen Trauernden pro Jahr in Deutschland aus. Ramsaier weiß wovon er spricht. Der 72-Jährige hat ursprünglich Sozialrecht studiert, arbeitete beim Sozialministerium, ist ausgebildeter Trauer-Agoge und Vorsitzender des Verbands der kontrollierten Bestatter in Stuttgart. Vor über 40 Jahren hat er das Bestattungsunternehmen von seinem Vater übernommen. Es besteht seit 1895 und ist bereits in der 4. Generation. Sein Bestattungsunternehmen zählt auch zu den wenigen in Deutschland, das Überführungen ins Ausland anbietet.

Auch dies ist aktuell durch den eingeschränkten Flugbetrieb schwierig. Ebenso werden unterschiedliche kulturelle Bestattungen angeboten. Hier sind jetzt auch viele wichtige religiöse Bestattungsrituale leider nicht mehr möglich. Die Auswirkungen von Corona spürt er sowohl bei den Hinterbliebenen als auch bei seinen Mitarbeitern. "Die Leute werden distanzierter, haben Angst vor Ansteckung“, stellt er fest. 

Corona ist wie Hepatitis C als Risikostufe 3 von vier Risikostufen eingestuft. In der Vergangenheit gab es schon mehrmals gefährliche Pandemien, wie beispielsweise AIDS, SARS, MERS, Schweinegrippe oder Vogelgrippe. Doch noch nie gab es einen solchen Medien-Hype, der die Leute verunsicherte, erklärt Helmut Ramsaier. Und noch nie gab so einschneidende Maßnahmen für seine Branche im Umgang mit der Trauerarbeit. Hierbei würde er sich mehr Unterstützung seitens der Gesundheitsämter wünschen.

Quelle: 7aktuell.de | Oskar Eyb